Medizin-Geschichten

Die Heilpflanze des Monats Oktober 2013
Kurioses, Bizarres, Interessantes

Folge 18: Disteln

Herbst – das heißt nicht nur bunte Blätter und abgeerntete Felder, sondern auch Disteln. Überall scheinen sie zu wachsen.
Doch, was ist eine Distel? Wir verstehen darunter alles, was irgendwie krautig ist und sticht. Die Botanik interessiert dabei wenig. So stammen unsere „Disteln“ denn auch aus ganz unterschiedlichen Pflanzenfamilien.

„Miss Willmott’s Ghost“. Die silbergraue, bis zu 90 cm hohe Elfenbeindistel (oder Elfenbeinmannstreu) ist vor allem in Großbritannien beliebt. Vor allem auch, weeil sich ihr silbriger Glanz sich im Mondlicht verstärkt.

Auch die Symbolik fragt nicht nach der Botanik, sondern nach der Bedeutung, die die Pflanzen für die Menschen hatte. Und gerade anhand der Disteln lässt sich gut zeigen, dass die unterschiedliche Symbolik, die sich um Pflanzen entwickelt, abhängig ist vom Alltag, vom Umgang mit diesen Pflanzen und vom Blick auf sie. Für Bauern und Gärtner waren die stacheligen Disteln ein großes Problem. Sie sind Unkräuter, deren man nur schwer Herr wird. Im bäuerlichen Umfeld galten Disteln deshalb als Teufelsgeschenk, als „Lohn der Sünde“.

Genau dieselben Eigenschaften haben Disteln aber andererseits zum Sinnbild der Wehrhaftigkeit, der Kraft und der Unabhängigkeit  der herrschenden Klasse gemacht. So ist die Eselsdistel (Onopordumacanthium) seit dem 13. Jahrhundert die Wappenblume Schottlands und der schottischen königlichen Familie, der Stewards. Auch viele schottische Clans führen die Distel im Familienwappen.

Die Schotten sind stolz auf ihre Distel. Und das soll auf das 8. Jahrhundert zurückgehen. Damals griffen die Dänen eines Nachts Schloss Stirling an. Doch die Wikinger waren barfuß und traten in die vielen Eselsdisteln, die am Schlossberg wuchsen. Die Schmerzensschreie der Dänen weckten die Schotten rechtzeitig aus dem Schlaf, und sie konnten die Attacke der Wikinger abwehren. Das Motto von Schottlands ältestem und höchstem Orden, des Distelordens („Order of the Thistle“), lautet denn auch: „Nemo me impune lacessit“ – „Niemand greift mich ungestraft an“…

Greifen wir noch zwei andere Disteln heraus, von denen es nette Geschichten zu erzählen gibt. Zum einen die Mariendistel (Silybum marianum) und wie sie zu ihrem Namen gekommen ist: Die Pflanze hat als einzige Distel weißgestreifte Blätter. Diese Streifen soll die Pflanze der Gottesmutter Maria verdanken. Denn als sie das Jesuskind stillte, fielen ein paar Tropfen der Muttermilch auf die Blätter einer Distel, die zu ihren Füßen wuchs, und verliefen dort. So sollen die weißen Streifen auf die Blätter gekommen sein. Und das steckt auch hinter dem Namen „Marien“-Distel.

Und dann ist da die Elfenbeindistel (oder richtiger Elfenbeinmannstreu) (Eryngium giganteum). Diese imposante silbrige Pflanze heißt in Großbritannien „Miss Willmott’s Ghost“, „Miss Willmotts Geist“, benannt nach Ellen Ann Willmott (1857 bis 1934), einer der bekanntesten Gärtnerinnen ihrer Zeit. Die exzentrische Engländerin hatte eine besondere Vorliebe für die edlen Elfenbeindisteln. Wann immer Miss Willmott einen fremden Garten besuchte, hatte sie Distelsamen in der Tasche und streute sie heimlich auf den Boden. Denn sie fand die Gartengestaltung anderer nicht sehr überzeugend und meinte, das ein wenig zurechtrücken zu müssen – mit Hilfe der großen Disteln. Wenn die Pflanzen schließlich wuchsen, war klar, dass die exzentrische Lady sie gesät haben musste. Die silbrigen Disteln waren die Geister, die sie hinterlassen hatte. Deshalb: „Miss Willmott’s Ghost“.

Es gibt noch viel mehr Disteln, von denen es Geschichten zu erzählen gäbe. Aber dazu ein ander Mal mehr.

Quellen: u.a. Marianne Beuchert: „Symbolik der Pflanzen“ und verschiedene Internetseiten (etwa die der Staudengärtnerei Gaißmayer)

Ursula Armstrong | Redaktion | Sperberweg 2 | D-82152 Krailling | Telefon: +49 (0) 163 / 313 21 10 | e-mail: mail@uschi-armstrong.de | www.redaktion-armstrong.de

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Die stachelige Knospe der Mariendistel. Früher war die Pflanze ein beliebtes Frauenheilmittel, deshalb wurde sie auch „Frauendistel“ genannt. Heute wird sie vor allem bei Leber- und Gallenbeschwerden und dyspeptischen Problemen eingesetzt
Fotos: Armstrong